Von Sabi­ne Mar­quard

Bei vie­len Mit­tel­ständ­lern lie­fen die Geschäf­te in den ver­gan­ge­nen Jah­ren so gut, dass sie nie einen Kre­dit gebraucht haben. In der Coro­na-Kri­se ändert sich das gera­de. Doch vie­le Unter­neh­men haben kei­ne Erfah­rung mit Kre­dit­an­trä­gen, weiß Fin­match-Chef Mar­tin Hipp. Wor­auf es jetzt ankommt.

Herr Hipp, die Poli­tik hat Sofort­hil­fen für Unter­neh­men auf den Weg gebracht. Den­noch kla­gen Unter­neh­men, dass es nicht schnell genug geht. Wor­an hakt es?

Das hat meh­re­re Grün­de: Bei den Hilfs­pro­gram­men über­neh­men die staat­li­chen För­der­ban­ken 80 bis 90 Pro­zent der Risi­ken, die Geschäfts­ban­ken tra­gen aber wei­ter­hin zehn bis 20 Pro­zent des Rest­ri­si­kos. Das heißt, es gibt einen ganz nor­ma­len Kre­dit­ent­schei­dungs­pro­zess. Die Haus­bank benö­tigt dazu die ent­spre­chen­den Unter­la­gen, die gut auf­be­rei­tet und voll­stän­dig sein müs­sen. Allein an die­ser Stel­le hapert es manchmal.

Es gibt doch den neu­en KfW-Schnell­kre­dit, bei dem der Bund zu 100 Pro­zent das Risi­ko übernimmt.

Ja, aber hier geht es um einen Kre­dit von maxi­mal 500 000 bis 800 000 Euro. Unter­neh­men, die auf­grund ihrer Grö­ße einen höhe­ren Finan­zie­rungs­be­darf haben, durch­lau­fen nach wie vor den nor­ma­len Kre­dit­ent­schei­dungs­pro­zess der Haus­bank. Und selbst klei­ne­re Unter­neh­men, die die­se 100-Pro­zent-Garan­tie nut­zen kön­nen, müs­sen stren­ge Kri­te­ri­en erfül­len, zum Bei­spiel müs­sen sie nach­wei­sen, dass sie unter dem Strich in den letz­ten drei Jah­ren ein posi­ti­ves Ergeb­nis hatten.

Die Hür­den sind hoch?

Für vie­le Unter­neh­men ist es ein Rie­sen­pro­blem, die rich­ti­gen Doku­men­te in der rich­ti­gen Aktua­li­tät in der Kür­ze vor­zu­le­gen. Vie­le haben über die Jah­re immer gut Geld ver­dient und noch nie einen Kre­dit­an­trag gestellt. Plötz­lich haben sie durch die Coro­na-Kri­se Umsatz­ein­brü­che und ver­su­chen auf Bank­kre­di­te umzu­schwen­ken. Sie haben kei­ner­lei Erfah­rung damit. Die sind schon mit der Antrag­stel­lung überfordert.

Rei­chen die Mit­tel, die etwa bei dem KfW-Schnell­kre­dit zur Ver­fü­gung gestellt werden?

Vie­le mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men haben einen grö­ße­ren Kre­dit­be­darf. Kei­ner weiß, wie lan­ge der wirt­schaft­li­che Ein­bruch dau­ern wird. Wenn ich mit den Hil­fen nur die nächs­ten sechs bis acht Wochen absi­chern möch­te, dann sind Kre­di­te bis 800 000 Euro hilf­reich. Aber schon ein Unter­neh­men mit 100 bis 150 Mil­lio­nen Umsatz und einer 50-pro­zen­ti­gen Per­so­nal­quo­te, das jetzt 30 bis 40 Pro­zent Umsatz­rück­gang hat, kommt mit 500 000 Euro viel­leicht ein, zwei Mona­te weit. Aber wir müs­sen weiterdenken.

An wel­chen Zeit­raum den­ken Sie?

Wich­tig sind die nächs­ten sechs Mona­te. Hier liegt der Liqui­di­täts­be­darf, den vie­le mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men haben, bei drei bis zehn Mil­lio­nen Euro. Und in die­ser Grö­ßen­ord­nung tra­gen nach wie vor die Ban­ken zehn bis 20 Pro­zent des Risikos.

Vie­le Unter­neh­men haben aber vor allem die nächs­ten sechs Wochen im Blick.

Vie­le sehen die Gefahr nicht und den­ken, ihr Liqui­di­täts­pols­ter trägt sie über die nächs­ten sechs bis acht Wochen. Was aber, wenn die Kri­se nicht in sechs Wochen vor­bei ist? Und selbst dann: Wenn in sechs Wochen die Liqui­di­tät auf­ge­braucht ist, und tat­säch­lich der Auf­schwung kommt, müs­sen Unter­neh­men auf Bank­kre­di­te zurück­grei­fen, um ihre Ein­käu­fe vor­zu­fi­nan­zie­ren. In der Zwi­schen­zeit hat sich aber auf­grund der Lage die Boni­tät der Fir­men dras­tisch ver­schlech­tert. Dann besteht die Gefahr, dass vie­le Unter­neh­men kein Geld mehr bekom­men und in die Insol­venz gehen müssen.

Was sol­len Unter­neh­men tun?

Sie soll­ten jetzt ihren Liqui­di­täts­be­darf für die nächs­ten sechs Mona­te bestim­men. Mei­ne Sor­ge ist, dass der Bedarf unter­schätzt wird und jetzt nur das Not­wen­digs­te gemacht wird. Am Ende geht vie­len die Luft aus, wenn es wie­der anläuft. Es gibt den Ban­ker­spruch: „Finan­zie­re dich, wenn du kannst, nicht, wenn du musst.“ Dar­in steckt viel Wahrheit.

 

Das Gespräch führ­te Sabi­ne Marquard
Quel­le: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.corona-hilfsprogramme-viele-firmen-sehen-die-gefahr-nicht.f87e177d-f28c-4016–904e-f814cd9d1e90.html